Mikrobiologische Therapie – was ist das eigentlich?
Als Mikrobiologische Therapie oder Symbioselenkung bezeichnet man ein Verfahren, bei dem Mikroorganismen, d.h. Kleinstlebewesen wie Bakterien, Viren, Pilze usw., deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte verabreicht werden. Dadurch wird eine Anregung des Immunsystems und somit eine allgemeine Abwehrstärke hervorgerufen.
Bereits im 19. Jahrhundert verwendeten Therapeuten abgetötete Viren oder Bakterien zur Abwehrsteigerung bei infizierten Patienten. Durch die Entwicklung der Antibiotika geriet dieses Verfahren in Vergessenheit und wurde erst in den 1950er Jahren durch die Ärzte Rusch und Kolb wiederentdeckt. Heute ist die mikrobiologische Therapie fest etabliert, wird insbesondere in der Kinderheilkunde bei Infektionsanfälligkeit und allergischen Erkrankungen, sowie bei Erwachsenen bei chronischen Erkrankungen und zur Beseitigung von Nebenwirkungen nach Medikamenteneinnahme (Antibiotika, Chemotherapie) eingesetzt. Seit dem vermehrten Auftreten von MRSA (multiresistenten Landwirtschafts- und Hospitalkeimen) erhält diese Behandlungsform wieder einen ganz besonderen Stellenwert.
Ausweg aus dem chronischen Harnwegsinfekt mit Autovaccinen
Sigrid Tapken, Rainer Schmidt: Der chronische Infekt im harnableitenden System bedeutet für den urologischen Patienten in mehrfacher Hinsicht eine erhebliche Belastung. Oftmals muss er einen langwierigen Krankheits- und Therapieverlauf ertragen, der zudem auch bei leitliniengerechter Behandlungnicht immer zum Erfolg führt.
Über 100 Billiarden Bakterien besiedeln den gesamten Verdauungstrakt und sind im Darm häufiger vorhanden als alle Zellen des menschlichen Körpers zusammengenommen. Es wurden bisher rund 500 verschiedene Bakterienarten im menschlichen Darm gezählt. Die Bakterien leben in Symbiose mit dem Menschen, in einer Lebensgemeinschaft, die für beide Arten, also Mensch und Mikroben, von Vorteil ist.
Diese Symbiose und das Mengenverhältnis der einzelnen Bakterien zueinander wird allerdings durch viele Umstände der heutigen Lebensweise aus dem Gleichgewicht gebracht, beispielsweise durch ungesunde Ernährung, Stress, Rauchen, Medikamente, Infektionskrankheiten, Allergien und andere Erkrankungen. Dies äußert sich nicht nur in Verdauungsproblemen wie Durchfall, Verstopfung oder Blähungen, sondern kann weitere Störungen wie Leistungsabfall oder Hautprobleme nach sich ziehen. Da die Darmwand den größten Teil des Abwehrsystems des Körpers beherbergt, kann sich ebenfalls eine Immunschwächung mit erhöhter Anfälligkeit für ansteckende Krankheiten, Autoimmunerkrankungen und wahrscheinlich sogar Krebs ergeben.
Die mikrobiologische Therapie ist bestrebt, das mikrobielle Ungleichgewicht zu „re-harmonisieren“, indem durch gezielte Gaben von natürlicherweise im Darm vorkommenden, nützlichen Bakterien das „Symbiosegleichgewicht“ wiederherstellt wird.
Mit der mikrobiologischen Therapie wird das Abwehrsystem des Körpers anregt. Die dafür eingesetzten Bakterien (Probiotika) können sowohl in lebendem als auch in abgetötetem Zustand eingenommen werden. Bevor die mikrobiologische Behandlung erfolgt, findet eine gründliche Untersuchung und Befragung des Patienten statt. Unterstützend für die mikrobiologische Therapie können eine bewusste Ernährung (z.B. Meiden von Schweinefleisch bzw. stark verarbeiteten Nahrungsmitteln, Vollwerternährung) und eine homöopathische oder pflanzliche Medikamentengabe sein. Oftmals ist es sogar notwendig, vor der Bakterieneinnahme zunächst eine Verbesserung der Darmverhältnisse über naturheilkundlich basierte Medikamente vorzunehmen.
Die Bakterien für die mikrobiologische Therapie werden in speziellen, sorgfältig arbeitenden Labors herangezüchtet. Die mikrobiologische Therapie hat erst nach einer gewissen Zeit Erfolg, so dass man bei der Durchführung nicht eine Heilung von heute auf morgen erwarten sollte. Eine gründliche mikrobiologische Therapie nimmt zwischen sechs Wochen und drei Monaten in Anspruch.
Mit der oralen oder injizierten Verabreichung von Mikroorganismen lassen sich zahlreiche Vorgänge des Immunsystems anstoßen. Diese Therapie wird daher auch Immunmodulation genannt. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Darm, der über 80% der Immunzellen beherbergt, das wichtigste Zielorgan ist. Daneben kommt der Vaginalflora eine besondere Bedeutung zu. Durch die tägliche Gabe soll das körpereigene Abwehrsystem in die Lage versetzt werden, ein ungünstiges Keimspektrum nachhaltig zu verdrängen. Darüber hinaus wird z.B. bei allergischen Erkrankungen die Fehlregulation normalisiert, übermäßige Abwehrreaktionen werden eingedämmt. Je nach ausgewählten Mikroorganismen und Stoffwechselprozessen kann der Abwehrmechanismus unspezifisch oder spezifisch angesprochen werden.
Der Behandlung geht eine Untersuchung von Blut, Stuhl, Urin oder auch der Vaginalflora voraus. Die Auswahl der Mittel erfolgt je nach Beschwerdebild und Reaktionslage des Patienten. Ein bekanntes Beispiel ist die orale Gabe von Laktobazillen und Bifidobakterien, die die Verträglichkeit von Milchprodukt. Die mikrobiologische Therapie kann gut mit einer Ernährungs- oder Phyto-Therapie kombiniert werden. Auch eine gleichzeitige antimykotische Behandlung, insbesondere die Verabreichung von Hefen der Gattung Candida und Saccharomyces, ist in manchen Fällen hilfreich, vor allem bei Patienten mit Milchzuckerunverträglichkeit (Laktose-Intoleranz).
Durch die mikrobiologische Therapie kann es selten zu Nebenwirkungen kommen, diese äußern sich meist selbst als Verdauungsstörungen wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung, Sie sind meist Ausdruck der zu behandelnden Störung, nicht bedrohlich und können mit Abänderung des Behandlungsregimes oder unter phytotherapeutischer Begleitbehandlung allermeist gelindert oder beseitigt werden.